Wenn Bodenleger „schwarz sehen“ – Sanierung asbesthaltiger Unter-gründe

Bereits in der Antike war die „Wunderfaser“ Asbest bekannt und wurde z.B. als Kerzendocht verwendet. In der jüngeren Vergangenheit wurde Asbest aufgrund seiner guten Dämmeigenschaften, seiner Hitze- und Säurebeständigkeit und aufgrund der guten Formbarkeit u.a. in vielen Bauprodukten verwendet. Nachdem bereits in den 1940er Jahren Lungenkrebs als Folge von Asbestbelastung nachgewiesen wurde, schränkte man die Verwendung der Faser sukzessive ein. Besonders der große zeitliche Abstand von bis zu 40 Jahren zwischen Asbestbelastung und Krankheitsausbruch machen Asbest zu einem „unsichtbaren Killer“ mit jährlich ca. 1.500 Asbesttoten.

Dennoch dauerte es noch bis 1993, bis die Verwendung von Asbest in Deutschland aufgrund der immensen Gesundheitsrisiken verboten wurde. Deshalb treffen Bodenleger noch immer regelmäßig auf asbesthaltige Aufbauten – am häufigsten in Form von Vinyl-Asbest-Platten (Flex-Platten) und asbesthaltigen Klebstoffen. Besonders im sozialen Wohnungsbau kamen asbesthaltige Materialien zum Einsatz, die zum großen Teil heute noch auf ihre Sanierung warten. So waren laut Berliner Mieterverein in 2013 noch 48.000 Wohnungen unsaniert, wobei es sich dabei nur um Wohnung im Besitz kommunaler Wohnungsbauunternehmen handelte. Über die Anzahl der betroffenen Wohnungen in privatem Besitz gibt es keine Angaben.

Während man früher oftmals dazu tendierte, die Problematik zu vertagen, indem man asbesthaltige Untergründe überspachtelte oder anderweitig versiegelte, geht der Trend heute eindeutig dahin, den Asbest gründlich und restlos zu entfernen. Grund dafür ist unter anderem eine zunehmende Verschärfung der Gesetzgebung in den einzelnen Bundesländern. So ist es in Hamburg und Berlin bereits Vorschrift, asbesthaltige Materialien im Zuge von Sanierungsarbeiten vollständig zu entfernen. Besonders Wohnungsbaugesellschaften bestehen zunehmend auf einer umfassenden Sanierung, um Altlasten zu vermeiden, die ein unbekanntes Risiko im Wert des Immobilien-Portfolios darstellen.

Was oftmals nicht bekannt ist oder fahrlässiger Weise ignoriert wird, ist, dass der Ausbau und die Entsorgung von asbesthaltigen Materialien strengen Sicherheitsvorschriften unterliegen, die in den TRGS 519 (Technische Regeln für Gefahrstoffe: Asbest) beschrieben werden. Unter anderem muss jeder Betrieb, der in diesem Bereich tätig werden will, einen Verantwortlichen mit Sachkundenachweis („Asbestschein“) vorweisen können. Des Weiteren müssen genaue Arbeitsschritte eines durch das Institut für Arbeitsschutz (IFA) zugelassenen Verfahrens eingehalten werden, das für die jeweilige Arbeit (Entfernen von Flex-Platten oder Schleifen von asbesthaltigen Klebstoffen) geeignet ist.

Besonders anspruchsvoll ist hier das Abschleifen von asbesthaltigen Klebstoffen. Da beim Schleifen große Mengen von Asbestfasern freigesetzt werden, wurde hier oftmals unter großem Aufwand ein sogenannter Schwarzbereich mit zwei Vorkammern eingerichtet. Um das Austreten der freigesetzten Fasern aus diesem Bereich zu vermeiden, muss in diesen drei Kammern Unterdruck mit Hilfe großer Unterdruckanlagen erzeugt werden. Die Handwerker, die im Schwarzbereich arbeiten, müssen aufwendige persönliche Schutzausrüstung tragen und beim Verlassen des Bereichs verschiedene Reinigungsschritte passieren. Dieses Verfahren ist in vielerlei Hinsicht mit enormem Aufwand und großen Kosten verbunden, weshalb es für den normalen Bodenleger nicht in Frage kam und Spezialfirmen überlassen wurde.

Bereits in 2012 hat die Firma Witte in Kooperation mit Dustcontrol deshalb ein Verfahren mit „geringer Exposition“ entwickelt, mit dem asbesthaltige Klebstoffe ohne Unterdruckkammern und aufwendige persönliche Schutzausrüstung saniert werden dürfen. Die Freisetzung von Asbestfasern ist bei diesem System so gering, dass auf diese Maßnahmen verzichtet werden kann. Herzstück des Systems ist der Diamantschleifer Floorman 280 SP, der mit 6 Diamant-Segmenten bestückt wird. Zwei Asbestsauger von Dustcontrol, die mit einem Y-Schlauch mit dem Floorman verbunden werden, sorgen für die nötige Saugleistung und filtern Staub und Asbestfasern aus der Saugluft. Zusätzlich ist das System mit einer Elektronik ausgestattet, die permanent den Unterdruck im Saugschlauch kontrolliert und Abfallen des Unterdrucks den Floorman abschaltet, um das Austreten von Asbestfasern zu verhindern, wenn die Saugkraft eines oder beider Sauger nachlässt. Für das Schleifen der Randbereiche umfasst das System außerdem eine Diamant-Handfräse, die an einen dritten Asbestsauger angeschlossen wird und über die gleiche Abschalt-Automatik verfügt. Das gesamte System läuft auf 230 Volt, was vor allem beim Einsatz in Wohnungen von Vorteil ist. Das System wird bereits von mehreren Betrieben in Deutschland eingesetzt und unterschreitet in Testmessungen die vorgeschriebenen Grenzwerte immer wieder bei weitem.

In Berlin hat sich die Firma Fußbodentechnik & Design Bals GmbH mit diesem System auf die Asbestsanierung spezialisiert. Seit Ende 2013 wurden so ca. 1.000 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von ca. 50.000 m² saniert und völlig vom Asbest befreit. Weitere 500 Wohnungen sind bereits für die kommenden 6 Monate für die Sanierung eingeplant. Da der Eigentümer der Wohnungen die Bewohner für die Zeit der Renovierung ausquartieren muss, ist neben der gründlichen Sanierung des Asbests die Zeit ein wichtiger Faktor. Eine straffe Organisation der Baustellen ist hier unabdingbar. Bei Bals hat man deshalb die einzelnen Arbeitsschritte einzelnen Kolonnen zugeordnet. So gibt es zwei Kolonnen, die nur mit dem Schleifsystem von Wohnung zu Wohnung unterwegs sind. Die gründliche Vor- und Nachbereitung der Baustellen, so wie das Verlegen der neuen Oberbeläge übernehmen jeweils andere Kolonnen. Somit kann das Asbestsystem seinen großen Vorteil, dass keine aufwendigen Vorbereitungen wie Unterdruckkammern etc. benötigt werden, voll ausspielen. So kann die Firma Bals in der Woche bis zu 20 Wohnungen sanieren. Und wenn man es richtig angeht, ist die Asbestsanierung ein lukratives Geschäft. So schätzte der Berliner Mieterverein, dass die Asbestsanierung einer Wohnung inklusive Auslagerung der Mieter ca. 8.000,00 Euro kostet.

Doch Vorsicht: Es reicht nicht, wie oftmals angenommen, einen Asbestschein zu machen und ein Asbestsystem von Witte zu kaufen, um Asbestbaustellen durchführen zu dürfen. Zusätzlich muss jeder Betrieb noch eine unternehmensbezogene Zulassung für sein System bekommen. Diese beinhaltet drei Testmessungen durch ein zugelassenes Prüflabor auf drei unterschiedlichen Baustellen, bei denen die Handhabung und die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte nachgewiesen werden. Bevor man sich also näher mit der Anschaffung eines Asbestsystems beschäftigt, sollte man sich mit der IFA in Verbindung setzen und die notwendigen Schritte abstimmen.

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